Das Schreiben, das I Ging und die Corona-Krise

In Zeiten wie diesen möchte ich ein Plädoyer für das Schreiben aussprechen und euch zum lesen und zum selber schreiben anregen. Meine Gedanken schriftlich zu formulieren, ist ein ja ein wunderbares Mittel der Selbstreflexion, und gerade die brauche ich heute besonders. Um die Umbrüche, die ich und viele andere jetzt erleben, von einem Tag auf den anderen plötzlich keine Arbeit mehr zu haben zum Beispiel, zu verarbeiten. Schreiben ist mein Mittel der Wahl, um mich auszudrücken, auch Kontakt zu anderen und zur Welt herzustellen. Ich möchte die Dinge verstehen und sie angemessen, wahrheitsgetreu beschreiben, ich möchte die kleinen, schönen Erlebnisse des Alltags benennen, um sie wertzuschätzen und nicht im Strom der täglichen Erledigungen zu vergessen. Vor allem aber möchte ich auch mich selbst verstehen, warum ich wie reagiere, um schwierige Situationen besser meistern zu können. So wie jetzt.

Dafür habe ich von unerwarteter Seite Hilfe bekommen. Vor zwei Jahren, nach einer Phase, in der mir alles zuviel wurde und ich nicht gut auf meine Grenzen achten konnte, bin ich im Netz zufällig auf das Schreibspiel gestoßen. Eine Einladung zur schriftlichen Selbstreflexion für hochsensible Menschen, die mit Fragen und Antworten arbeitet. Die Einstiegsfrage der Literaturwissenschaftlerin und Schreibtherapeutin war: Was passiert gerade in deinem Leben und was möchtest du, das stattdessen geschieht? Das hat mich total fasziniert, dass es eine Begleitung gibt für den inneren Dialog, den ich eh schon mit mir führe.

Also habe ich mich auf die Arbeit mit Ariela Sager eingelassen und blicke darauf, was genau meine Angst ist, was mir wirklich fehlt, wie ich immer wieder auf Situationen reagiere und es aber gern anders haben will. Ich habe verstanden, dass das anders-haben-wollen ja auch meine Kraft ist: dass ich es will, heißt auch, dass ich es können werde. Das finde ich unheimlich ermutigend. Und das hat auch viel mit der Jetztzeit zu tun: Wenn ich eine andere Zukunft will, habe ich auch die Kraft, mich dafür einzusetzen – ich muss es mir dafür aber sehr genau vorstellen, ausmalen und erproben.

Was macht ihre Arbeit so genial? Denn diese geht für mich viel weiter als meine sonstigen Versuche, mich mit meinem inneren Kind und dem inneren Erwachsenen zu befassen. Ariela hat aus der Zusammenschau vieler Weisheitstexte, Märchen, Philosophien und Psychologie-Ansätzen mithilfe ihrer eigenen Inspiration ein System menschlicher Entwicklung erarbeitet, das mich begeistert. Wie viele Menschen habe auch ich immer wieder das Bedürfnis nach einem geschlossenen System, das mir die Welt erklärt. Auch wenn es da immer nur verschiedene Zugänge und nie den einzig wahren geben kann, bin ich beglückt, wenn ich erlebe, wenn jemand in den verschiedenen Religionen und Philosophien einen im Grunde gleichen Kern entdeckt und Synthesen schafft.
In diesem weiten spirituellen Raum und der immensen Einfühlung seitens der Schreib-Begleiterin habe ich viel gelernt: ich habe Zutrauen zu mir selbst entwickelt (im Dialog mit mir selbst herausgearbeitet, ohne dass es von außen gekommen wäre, was daher besonders verlässlich ist); die Fähigkeit gestärkt, mich selbst in Zeiten der Unruhe in die Stabilität zurückführen zu können sowie ein Gefühl für meine persönlichen Ziele entwickelt, meinen eigenen Lebens-Sinn. Das geht wunderbar Hand in Hand mit den Erkenntnissen, die ich durch Aikias Vermittlung durch das HDS gewonnen habe.

Das Human Design System ist ohne die Hexagramme des I Ging ja nicht zu denken. Aus diesem und den oben genannten Gründen habe ich auch Arielas Texte, die sie in den letzten Wochen zu drei Hexagrammen des I Ging geschrieben hat, und die sich auf die heutige Situation beziehen, so begierig aufgenommen (I Ging Inspirationen zu »Der Frieden«, »Die Stockung« und »Gemeinschaft mit Menschen«). Ich finde diese Gedanken unter anderem so faszinierend, weil sie dem Grundgedanken des Alleins entsprechen, und möchte sie daher gern mit euch teilen! (Siehe PDF unten)

Mir wurde dadurch so besonders klar, dass es auf die Herzensbildung ankommt, um Frieden zu schaffen und zu erhalten. Im Alleins ist ja ebenso die Idee, dass wir alle auf dem Weg zur Selbstwerdung sind: Je mehr wir uns selbst erkennen und für uns selbst Verantwortung übernehmen, desto erwachsener können wir miteinander umgehen und desto hilfreicher sind wir füreinander. Eine Gemeinschaft lebt durch das, was die einzelnen sind und aus sich selbst heraus dort hineinbringen: und diese Ermutigung erlebe ich hier immer wieder. Ich finde es daher, von der anderen Seite angeguckt, sehr stärkend, wie Arielas Gedanken diese Idee untermauern, dass jede*r, der sich zur Anerkennung seiner eigenen Werte und Fähigkeiten hindurchgefunden hat, einem anderen Menschen etwas zu geben vermag – man kann also immerzu sowohl Lehrer*in als auch Schüler*in sein.

In der Corona-Krise kann euch das vielleicht ebenso inspirieren wie mich – wie man Brücken bauen und Gemeinschaft stärken kann, jenseits von Misstrauen und Angst. Die genannten Texte sind hier als PDF herunterzuladen. (Darin steht auch das Impressum und ein Zugang zu dem Google Classroom, in dem eine lesen, Fragen stellen und kommentieren kann; ebenso die Web-Adresse für das Schreibspiel).

Einladung zum selber schreiben …

Meine eigene Arbeit als Anbietende von kreativen Schreibkursen ist dadurch vielleicht auch indirekt geprägt, von der inneren Haltung her jedenfalls, obwohl sie nicht therapeutisch ist. Mir ist es wichtig, in Gemeinschaft zu schreiben und das darin Entdeckte miteinander zu teilen. Es ist eine so schöne Möglichkeit, in einen tiefen Austausch miteinander zu kommen, sich und anderen mehr von sich zu zeigen und Überraschendes zu erleben. Das passt natürlich wunderbar ins Alleins – kann dort im Moment aber nicht live stattfinden. Daher lade ich euch dazu ein, ab Mittwoch, dem 1. April 2020 alle zwei Wochen in einen virtuellen Schreibraum zu kommen, der auch wieder über Zoom läuft. Platz ist da für acht Menschen, und ich bräuchte eine Anmeldung per e-Mail, um den Zugangslink zu versenden (naumann@kunst-kontext.de). Näheres siehe hier. Danke, dass ihr bis hierher gelesen habt 🙂

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