Wolf sein ist – nicht – schwer

Ich war, auch als Wolf, dabei. Hier endlich ein im hohe Maße objektiver Erfahrungsbericht-fast ungelogen.
Die Zuschauer spüren es: hinter dem Vorhang auf der Bühne bewegt sich etwas, unruhig und wild.
Eine unsichtbare dunkle Wolke wabert über die Bühne hinunter bis in die letzte Sitzreihe.
Alle spüren es- hier droht unmittelbare Gefahr! Dann plötzlich hält den wüsten Gesellen
nichts mehr. Mit einem großen Satz springt er hinter dem Vorhang hervor, zerfetzt ihn fast 
mit seinem Ungestüm, bleibt stehen und hebt witternd die geschwungene Nase.

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Welch ein prächtiges Tier! Der Wolf ist da, bereit, seine Mission zu erfüllen.
Ahhh, das Fell  glänzt im Scheinwerferlicht, die grauen Brusthaare beben, der vorsichtige Schritt ist wiegend und zugleich kraftvoll, bereit zum Sprung. Der Wolf, frisch gewaschen, hierauf sollte geachtet werden, riecht nicht besonders streng. Gleichwohl bemerkt das naiv im Wald herumtapsende Rotkäppchen sein Erscheinen sofort und fürchtet sich pflichtgemäß. Mit einem piepsigen Laut signnalisiert es tiefes Erschrecken.
Der Wolf ist beruhigt, wieder einmal scheint sein bloßes Erscheinen sein Opfer
zu lähmen. Er wird leichtes Spiel haben. Doch dann-böse Überraschung! Den Weg zum Haus mit der Großmutter will das Kind nicht preisgeben, es will auch nicht tiefer in den Wald gehen. Dafür spricht es unaufhörlich, macht ihm ungewohnte Komplimente und redet von der Beengtheit der familiären Verhältnisse und von Freiheit.
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Jetzt hakt es sich furchtlos mit dem Arm bei ihm ein, schaut ihn vertraulich schräg von unten in sein perplexes Gesicht und blinzelt ihm verheißungvoll zu. Äh, Moment mal, so geht das nicht. Der Wolf ist verwirrt, der Blick wird unstet und gleitet hilfesuchend Richtung Vorhang. Das ist die Rettung –
mit einem Satz springt er zurück ins Dunkle. Doch zum Durchatmen bleibt keine Zeit.
Rotkäppchen folgt ihm hinter den Vorhang und kündigt mit lauter Stimme ihr Kommen an: „Wölfilein, komm zu mir, komm und hol mich!“
Der Wolf, er atmet schwer.
Er ahnt, Rotkäppchen will spielen, darauf war er nicht vorbereitet. Was tun?
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Ein begeisterter GuT-Theater-Spieler
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2 Gedanken zu „Wolf sein ist – nicht – schwer

  1. ;-))
    jah. Die Märchen durchdringen den Spieler magisch bis in jede Zelle, das erlebe ich immer wieder in mir und mit euch, wenn wir im GuT-Theater-Spieltreff in die Märchen eintauchen.
    Es war gestern auch für mich sehr überraschend, dass sogar der tattrige und bedürftige Wolf in der Lage ist, Rotkäppchen in die Dunkelheit seiner Gier zu ziehen. Indem er sich von ihr lebenslang versorgen lässt…, was für ein genialer Schachzug von ihm. 😉

    Übernächsten Freitag geht es wieder weiter im Theaterspieltreff mit Rotkäpchen und:
    Wie gerät Rotkäppchen eigentlich in den Wald?

    Ich bin schon jetzt gespannt, wie ein Flitzebogen, was wir wieder Spannendes – mit natürlichem Lernen auf der Bühne – herausforschen werden durch das Märchen.

    Beflügelte Grüße

    Aikia

  2. und hier eine alternative Version:
    Der Wolf ist schon ziiiiiiiiemlich alt….der Appetit auf ein frisches Rotkäppchen ist jedoch immer noch sehr lebendig…auch nach gefühlten 500 Jahren Märchendasein treffen sich die beiden maaaal wieder im großen wilden Wurzelwald…nicht sonderlich überrascht…nun ja Rotkäppchen schon ein wenig überrascht, denn sie kennt ihren Wolf dann doch ein wenig temperamentvoller…und oh je, ob die Großmutter überhaupt noch lebt…?? Rotkäppchen ist noch gut im Saft, hakt beherzt den alternden klapprigen Wolf unter und führt ihn höchstpersönlich zum Haus der Großmutter die nur noch leblos in ihrem Bett liegt und schon ein wenig müffelt…und nun was tun mit dieser wölfischen Jammergestalt an ihrer Seite…? Nach Anfrage vom Rotkäppchen, ob ihm ein Altersruhesitz als Anbau an Großmutters Haus einschließlich landdiensttechnischer Betreuung durch Rotkäppchen genehm wäre, hat der Wolf mal wieder was er wollte…;o)

    Das hat mir, auch eine begeisterte Mitspielerin, einen mordsmäßigen Spaß gemacht
    gestern!

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